Wenn Worte (fast) wichtiger sind als Taten
Bei Andrea liegt ein Teil des Problems in der Kommunikation. Oder besser: in der fehlenden Kommunikation. Sie hatte als junges Mädchen einen Zahnarztbesuch, der eine umfangreiche Behandlung zur Folge hatte. Doch reden wollte darüber niemand mit ihr.
Als ich 14 Jahre alt war, musste bei mir eine ziemlich üble Wurzelbehandlung gemacht werden. Bis dahin hatte ich eigentlich keine so große Angst vor dem Zahnarzt, auch wenn ich nie gerne hingegangen bin. Das sollte sich mit meinem Besuch bei einem Zahnarzt ändern, der eine richtige „Spaßkanone“ war.
Es begann mit den Schmerzen. Mit den Schmerzen im Wartezimmer. Ich hatte ziemlich deutlich gemacht, dass es mir nicht gut geht, und ich hatte gehofft, dass ich bald drankäme, schließlich hatte ich einen Termin. Aber ich saß geschlagene 90 Minuten und wartete und wartete und wartete. Das Unangenehme daran war die Tatsache, dass der Zahnarzt ein paar Mal raus kam und sich mit Patienten und Sprechstundenhilfe unterhielt. Der Mann war echt gut drauf, alberte herum und wollte wohl so was wie gute Laune versprühen. Mag sein, dass er es womöglich echt gut meinte, aber mir ging es von Minute zu Minute schlechter. Als ich endlich drankam, war ich eigentlich schon völlig erledigt. Aber jetzt ging es erst richtig los.
Als der Zahnarzt in meinen Mund schaute, nuschelte er die ganze Zeit unverständliches Zeug. Ich fragte ihn dann, ob er mich meine und ob ich wissen sollte, worüber er spricht. Der guckte mich an, als hätte ich von ihm den Weltfrieden verlangt. Nein, meinte er, ich müsse nichts wissen, nur, dass mir eine Wurzelbehandlung bevorsteht, die etwas unangenehm werden könnte. Wie unangenehm denn genau, wollte ich wissen, aber da hörte er mir schon nicht mehr zu, sondern turtelte mit seiner Assistentin.
Die Behandlung dauerte gut 45 Minuten und wurde von Minute zu Minute schlimmer. Ich wusste nicht, was der Zahnarzt macht, er sagte einfach nichts dazu. Zwischendurch kam dann aber ein „Ach, Du meine Güte“ oder „Wow, das sieht übel aus“. Meine Angst wurde schlimmer und schlimmer, und langsam dachte ich, dass in meinem Mund eine einzige Katastrophe stattfinden musste.
Immer wieder durchzuckten mich üble Schmerzen, die der Zahnarzt mit Äußerungen wie „Tja, da müssen Sie jetzt durch“ kommentierte. Irgendwann schlug die Assistentin vor, dass ich mal eben den Mund ausspülen könne. Ja, meinte der Zahnarzt, da habe sie wohl recht, hätte er ganz vergessen. Inzwischen fragte ich mich, ob er mit seinen Gedanken nicht längst zu Hause, im Kino oder beim Golf war. Aber seine Pranken fummelten nach wie vor in meinem Mund herum.
Nach dieser Wurzelbehandlung war ich viele Jahre nicht wieder beim Zahnarzt. Erst als ich 28 war, kam ich nicht mehr drum herum. Doch diesmal hatte ich Glück. Ich suchte nach einer Praxis, die auf Dentalphobie spezialisiert ist, fand eine und wagte mich dorthin. Beim ersten Besuch passierte es! Denn es passierte nichts, rein gar nichts. Wobei das nicht stimmt, es passierte etwas, das mir meine Zuversicht zurückgab. Der Zahnarzt sprach fast eine Stunde mit mir, fragte, hörte zu, ließ mich erzählen, wo mein Problem liegt.
Inzwischen gehe ich regelmäßig in diese Praxis und fühle mich dort sehr gut aufgehoben. Eigentlich begann es mit dem letzten Satz beim Erstgespräch, der mich überzeugte. Der Zahnarzt sagte zu mir: „Vor jedem Zahnarztbesuch sollte ein gutes Gespräch stehen.“ Und der Mann hatte recht.
Erfahrungsberichte
Ein Mann erzählt, dass ihm im Jugendalter von seinem Zahnarzt verdächtig viele Zähne gezogen wurden. Andere Behandlungsoptionen schienen für den Zahnmediziner keine Option zu sein. Der Betroffene leidet noch heute unter starker Zahnarztangst.
Alexander könnte als klassischer Fall bezeichnet werden. Durch seine Zahnarztangst war er schon jahrelang nicht mehr in einer Praxis. Als er sich dann durchgerungen hat, hatte er das Glück, zu einem Zahnarzt zu kommen, der empathisch auf seine Ängste eingegangen ist und die Behandlung nicht überstürzt hat.
Jana hat bei ihrem Zahnarztbesuch gleich zwei wichtige Erfahrungen gemacht. Zum einen hat sie festgestellt, dass Lachgas seinen Namen nicht der Eigenschaft des Lachens zu verdanken hat. Die beruhigende Wirkung hat sich aber positiv auf die Behandlung ausgewirkt. Und zum anderen ist Jana der festen Überzeugung, dass selbst die besten Methoden wirkungslos sind, wenn der Zahnarzt unsensibel ist.
Bei Max war es sein 50. Geburtstag, der ihn die Entscheidung treffen ließ, nun allen Mut zusammen zu nehmen und einen Zahnarzt aufzusuchen. Belohnt wurde sein Mut nicht, zumindest zunächst nicht. Max musste die Erfahrung machen, dass nicht jede Praxis, die vorgibt, auf Dentalphobie spezialisiert zu sein, das auch wirklich ist. Letztlich fand er aber die Praxis, die mit ihm vorsichtig genug umgehen konnte.
Wenn es ein Vorzeigebeispiel für ein Kindheitstrauma gibt, dann ist Petra sicher die beste Wahl. Sie kannte bis zu ihrem 10. Lebensjahr überhaupt keine Angst vorm Zahnarzt und wurde dann von einem Zahnmediziner so plump behandelt, dass sie von diesem Zeitpunkt an nicht mehr ohne Panik eine Praxis aufsuchen konnte. Sie musste bis zum 40. Lebensjahr warten, bevor sie einen Zahnarzt fand, der einfühlsam mit ihr umging.
Daniel hat erkannt, dass seine Zahnarztangst erheblichen negativen Einfluss auf sein Leben nimmt. Bei ihm war es weniger die Angst als vielmehr die Scham, die ihm das Leben schwergemacht hat. Er traute sich kaum noch unter Leute, weil ihm seine Zähne peinlich waren. Nachdem er sich aufgerafft hatte, zu einem feinfühligen Zahnarzt zu gehen, hat er ein völlig neues Lebensgefühl.
Bei Andrea liegt ein Teil des Problems in der Kommunikation. Oder besser: in der fehlenden Kommunikation. Sie hatte als junges Mädchen einen Zahnarztbesuch, der eine umfangreiche Behandlung zur Folge hatte. Doch reden wollte darüber niemand mit ihr.
Nachrichten
Wer Patienten mit Dentalphobie verstehen will, muss sich zunächst von zahlreichen eigenen Einschätzungen und Einstellungen verabschieden. Denn die Wahrnehmung von Menschen mit Zahnarztangst ist eine andere. Wer das weiß, ist einen großen Schritt weiter – und wird die Spritze mit neuen Augen betrachten.
Der Zahnarztbesuch ist immer wieder so ein Thema. Während die eine Personengruppe sich auf den Behandlungsstuhl setzt, als würde sie in einem Kinosessel Platz nehmen, bekommt die andere schon Panik, wenn sie auch nur an den Geruch einer Praxis denkt. Eine russische Künstlerin möchte auf das Thema Zahnhygiene aufmerksam machen und hat dazu sehr eigenwillige Skulpturen entworfen.